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Barocke Bilderräume in VR: Kulturgut auf Distanz erleben

Barocke Bilderräume in VR: Kulturgut auf Distanz erleben

Bildrechte Titelbild: © agcreativelab - Adobe Stock

Das Forschungsprojekt der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, „Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland“, dokumentiert erstmalig rund 4000 Decken-und Wandmalereien aus der Epoche des deutschen Barock (1550 bis ca. 1770).

Bei dem Projekt orientierten sich die Wissenschaftler an einem früheren, rund drei Dekaden andauernden Corpus-Projekt, in dem bereits ein Teil der Deckenmalereien in 15 Bildbänden dokumentiert wurde.

Um den umfangreichen Bestand erhaltener & rekonstruierbarer Kunstdenkmäler über die oberbayerischen Landesgrenzen hinaus optimal dokumentieren, analysieren und der Öffentlichkeit präsentieren zu können, setzen die Verantwortlichen nun auf eine großangelegte, digitale Datenbank – und Virtual-Reality-Technologie.

Überzeugungsarbeit: Räume in 3D

Kulturgut zugänglicher machen: Kapellenraum der Sixtinischen Kapelle als VR-Anwendung. Bildquelle: gallerix.org

Konkret sorgt das Projekt CbDD dafür, dass die Forschungsergebnisse diesmal nicht allein zwischen zwei Buchdeckeln verbleiben, sondern online zugänglich sind und bisweilen als VR-Erfahrung erlebt werden können.

Auch die Sixtinische Kapelle in der Vatikanstadt wurde bereits (anhand von touristischen Fotografien) in 3D generiert. VR-Anwender kommen dabei auch ohne Nackenstarre in den Genuss meisterhafter Fresken aus der Zeit der Renaissance. Bei einem Gemälde von Künstlern wie Michelangelo lohnt es sich, genauer hin zu schauen: Detailreiche Szenen aus der Genesis sind auf 520 Quadratmetern nicht nur schlichtweg überwältigend, sondern lassen sich auf Höhendistanz auch schwer erfassen.

Virtuelle Anwender können sich jedoch in die Deckengewölbe zoomen (d.h. auf der Hebebühne fahren) und alle Darstellungen aus nächster Nähe bestaunen – jedes einzelne Bildelement lässt sich entsprechend ansteuern. Atmosphärisch betrachtet mag die VR-Anwendung natürlich kein Ersatz für reale Vor-Ort-Besichtigungen sein. Doch wer hat schon die Möglichkeit, spontan in den Vatikan zu fahren?

VR bringt deshalb die großartige Option, Kulturgüter einmal anders erleben zu dürfen!

Für die Erstellung der VR-Applikation bedarf es zunächst einer photogrammetrischen Erfassung mittels Kamera oder 3D-Scan bzw. einer Kombination beider Methoden.

Photogrammetrie-Aufnahmen werden bei gleichbleibenden Lichtverhältnissen und vordefinierten Abständen in einer Vielheit von Einzelbildern generiert, um in der Summe einen Raum bzw. die darin befindlichen Gegenstände und Strukturen zu vermessen. Punktwolken sorgen für eine genaue Berechnung realer Geometrien und ermöglichen so später 3D-Rekonstruktionen anhand von Objekt- & Raumkoordinaten.

Die Fotografien müssen sich dabei überlappen und auch mögliche Artefakte werden erst später durch Nachbearbeitung entfernt: Zur vollständigen Erschließung eines Raummodells müssen alle Blick-bzw. Raumwinkel berücksichtigt werden. Dabei werden grundsätzlich immer mehr Daten generiert als nötig. Falsch erfasste Messpunkte können in weiteren Verarbeitungsprozessen wieder eliminiert werden.

Zusätzlich zum Kamera-Verfahren kann ein Laserscanner die Kartierung plastischer Raumstrukturen präzisieren. Die 3D-Messpunktrate eines solchen Scanners umfasst teils mehr als eine Million Punkte.

Zugunsten realistischer Farbgebung müssen die Fotografien dann weiter überarbeitet werden. Basierend auf der Fotografie des Scans wird zwar jedem Punkt in der 3D-Punktwolke ein bestimmter Farbwert zugeordnet – in der Regel ist die Anzahl der Farbpunkte und der Genauigkeit jedoch unzureichend – gerade bei sich verändernden Lichtverhältnissen oder reflektierenden Materialien.

Mit digitaler Bildvermessung lassen sich Forschungsobjekte unterschiedlichster Disziplinen in 3D aufbereiten & konservieren, z.B. auch auf dem Gebiet der Archäologie.
Das immense Potential von VR spielt auch bei stadtplanerischer Visualisierung & Teilhabe eine immer größere Rolle (lesen Sie dazu unseren Artikel „Partizipative Stadtentwicklung mit VR/AR“).

Aufwendiger sind Photogrammetrie-Verfahren bei Bewegtbildern, etwa in der Produktion volumetrischer Videos. VR ermöglicht an dieser Stelle hoch realistische Live-Interaktionen, denn Headset-Anwender können sich in der virtuellen Umgebung entlang aller sechs Freiheitsgrade und somit auch „um“ die holografische Figur herum bewegen.

Perfekte Ausleuchtung für die digitale Bestandsaufnahme: CbDD/Neue Residenz Bamberg. Bildquelle: akademieunion.de

Markgräfliches Opernhaus Bayreuth als 3D-Modell. Genutzt wurde ein Laserscanner in Kombination mit einer scientific-CMOS-Kamera. Das System ist hochsensitiv und arbeitet u.a. mit schneller Bildrate (bis zu 100 Einzelbilder pro Sekunde in hochauflösender Qualität) und niedrigem Ausleserauschen/niedriger Detektionsschwelle. Bildquelle: nordbayern.de

So wurde z.B. der Kaisersaal in der Neuen Residenz Bamberg mittels Photogrammetrie-Verfahren aufgenommen und anschließend mit einer 3D-Modellierungssoftware bearbeitet, um etwa Fensterglas und Fensterrahmen anhand von Referenzbildern anzupassen und im Texture Mapping entsprechende Informationen zur Farbkorrektur hinzuzufügen. Ganze 2000 Einzelaufnahmen wurden hierbei miteinander verrechnet.

Die Stuckdecken der kurfürstlichen Kammerkapelle im Neuen Schloss Schleißheim wiesen zudem eine besonders komplexe Geometrie auf und stellten die Forscher dabei vor große Herausforderungen: Für eine überzeugende 3D-Modellierung mussten deshalb alle Strukturen aufwendig manuell nachkonstruiert und über mehrere Iterationen mit ergänzenden Datensätzen versehen werden.

„Mit unserer Online-Publikationsdatenbank haben wir ein virtuelles Museum der architekturgebundenen Malerei auf dem Gebiet der Bundesrepublik geschaffen, das zum Forschen, zum Entdecken und zum Besuchen dieses herausragenden Kulturerbes einlädt“.

Matteo Burioni, Institut f. Kunstgeschichte LMU München

VR & die Kraft der Immersion

Bevor aus Daten Räume werden, müssen an Rechnern viele Arbeitsschritte durchlaufen werden.

Für die Erstellung begehbarer VR-Modelle werden also zunächst alle Kamera-Bilder mit einem Structure-from-Motion-Ansatz („aus 2D mach´3D“) versehen und durch Scan-Aufnahmen ergänzt. Die daraus resultierenden Tiefenbilder werden entsprechend aneinander gefügt und texturiert, während spezifische Algorithmen selbst stark perspektivisch verzerrte Strukturen erkennen und entsprechend dem Gesamtmodell zuordnen können.

Damit interessierte VR-Anwender Kulturgüter wie Kaisersaal, Kammerkapelle & Co. authentisch erfahren können, müssen die generierten 3D-Modelle physisch zugänglich gemacht werden.

An dieser Stelle ist es wichtig, Aspekte wie Proportion, Perspektive & Raumwinkel sowie Lichtquellen zwecks Dynamik noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen: Schließlich soll der virtuelle Besucher ein immersives, unvergessliches VR-Erlebnis haben und nicht etwa aufgrund eines Immersionsbruchs vorschnell auf dem Boden der Tatsachen ankommen!

Virtuelle Aufbereitung des Treppenhauses der ehem. Fürstbischöflichen Residenz Augsburg. Bildquelle: bmbf.de

Dafür kommen weitere Workflows über Game Engines oder andere spezifische Softwares zum Einsatz (hier u.a. Unreal Engine). Die Daten lassen sich dann in Echtzeit animieren, visuell weiterbearbeiten und mit Annotationen, Audiopfaden oder weiteren Bildverknüpfungen zur Historie eines Gebäudes versehen.

Im Ergebnis wird die Anwendung über ein Virtual-Reality-Headset oder eine CAVE-Installation zugänglich gemacht. Aber auch 360-Grad-Ansichten, AR-Applikationen und Kuppelkinos sind möglich, um die virtuelle Aufbereitung von Kulturgütern zu einem immersiven Erlebnis werden zu lassen.

Was ist Immersion?

Um Anwendern eine überzeugende VR-Erfahrung bieten zu können, braucht es ein gewisses Maß an Immersion. Immersion beschreibt eine Art virtuelles „Eintauchen“: Dem VR-Nutzer ist es möglich, sich selbst als Teil des virtuellen Settings zu erleben und die ihn umgebende Realität (für den Zeitraum der VR-Anwendung) zu vergessen.

Ein besonders hoher Grad an Immersion kann durch das Gefühl subjektiver Präsenz erreicht werden: Taucht der Anwender mental in die virtuelle Welt ein und kann er in dieser auch physisch agieren (z.B. mittels Raumtracking/VR-Controllern) entsteht bestenfalls ein Zustand der Involviertheit (d.h. ein aktives Interesse an der Erforschung der VR-Welt). Dieser Umstand verstärkt wiederum das Präsenzgefühl und das immersive Erleben.

Besteht ein Bruch im Rahmen der sogenannten „Plausibilitätsillusion“ (die ihrerseits das subjektive Präsenz-Empfinden unterstreicht), ergibt sich auch unweigerlich ein Immersionsbruch, da die simulierten Ereignisse vom Anwender als unschlüssig empfunden werden.

Barocke Deckenmalereien unterlagen illusionistischen Prinzipien, um Betrachtern das Vorhandensein plastischer Elemente zu suggerieren. Auch Virtual Reality orientiert sich an der perfekten Illusion und liefert nicht nur visuell spannende Ergebnisse, sondern bietet VR-Anwendern umfassende Möglichkeiten virtueller Interaktion.

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Bildrechte Titelbild: © agcreativelab – Adobe Stock

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