Website-Icon Aspekteins

VR zum Hinschauen: Wie 360-Grad-Produktionen auf soziale und ökologische Themen aufmerksam machen können

Memories of a Bird

Bildquelle: jacobsteensen.com

Die Hawaiianischen Moho(idae) erzählen von einer anderen Zeit: Die nektarfressenden Singvögel gibt es nicht mehr. Insbesondere der kleine Schuppenkehlmoho war ein besonders lebhafter Vogel mit einem markanten flötenartigen Ruf. Er lebte in den Tropenwäldern auf Kaua´i, einer der Hauptinseln von Hawaii, die von mächtigen Klippen und Felswänden umgeben ist.

In einer kleinen Baumhöhle am Mount Wai´ale´ale entdeckten Ornithologen in den 1970ern ein mit Gras und Zweigen ausgepolstertes Nest. Das war eine Premiere und ein großer Glücksfall, denn der „Kaua´i O´o“ war ein scheues Exemplar und sehr wendig. Er ließ sich im Jahrhundert davor nur knapp ausmachen. Nach mehreren Hurrikanen der letzten Jahrzehnte fanden Einheimische und Wissenschaftler jedoch keine Spur mehr von dem gerade einmal zwanzig Zentimeter kleinen Vogel und der Schuppenkehlmoho landete, wie schon viele Arten zuvor, auf der Liste ausgestorbener Vögel. Eingeschleppte Moskitos mit dem Vogelmalaria-Virus im Gepäck und die massive Zerstörung seines Lebensraums durch den Tourismus waren wohl nur einige der Faktoren, die zu seinem Verschwinden führten. Der Schuppenkehlmoho wird eine unerforschte Spezies bleiben.

Eine Reminiszenz an dieses Thema bietet der VR-Film Re-Animated. Als Beitrag bei diesjährigen Festivals wie VRHAM und SXSW erzählt diese Produktion eindrucksvoll vom Moho und (s)einer magischen Welt. Einer Welt, die sich unserer Realität mehr und mehr entzieht. VR-Filmemacher Jacob Steensen setzt sich in seiner Arbeit v.a. atmosphärisch mit dem Habitat des Vogels auseinander.

Re-Animated, im Juli 2019 auch auf dem VR Arles Festival zu erleben, schließt sich in diesem Jahr manch anderer 360-Grad Produktion an, die Kurs auf ökologische Inhalte nimmt…

(K)ein Tropfen auf den heißen Stein

Beispielsweise: „A Drop in the Ocean“: Hier wird der Zuschauer auf die Größe von Plankton geschrumpft, welches auf einer Qualle durch die Tiefen der Meere gleitet. Der ohnmächtige Zuschauer sieht sich in der Anwendung mit Massen an Plastik konfrontiert.

Bildquelle: thincdesign.com

„Climate change can feel intangible. We believe VR can do a lot to change people´s minds and give them an experience they can´t experience as a human.“

Adam May, Co-Creator A Drop in the Ocean

A Drop in the Ocean wird von Philippe Cousteau, dem Enkel des weltberühmten Meeresforschers Jaques-Yves Cousteau, als 7-minütige VR-Experience auf Basis von Mikrofotografien des preisgekrönten Künstlers Peter Parks erzählt. Die Auswirkungen des Menschen auf die (gesunde) Ökologie der Meere in Anbetracht der Plastikvermüllung soll körperlich spürbar sein und den Zuschauer unmittelbar berühren.

Jährlich sterben über einer Million Seevögeln an Plastikmüll. 60 Prozent aller Vogelarten haben die tödlichen Partikel im Magen. Aber selbst bei Nichtaufnahme hemmt Plastik das Wachstum, etwa wenn sich Meerestiere an Gummibändern verheddern und fortan mit den fremden Partikeln am Leib herumschwimmen müssen. Delfine z.B. scheinen äußerst wachsam und meiden nachgewiesenermaßen Plastikabfälle. Allerdings sind sie anfällig für Nahrung, die bereits mit synthetischen Verbindungen verseucht ist – sie nehmen diese also letztlich indirekt auf.

Die magische Welt der Ozeane vermitteln und Zuschauer in puncto Umweltverschmutzung zu sensibilisieren, das ist erklärtes Ziel der Initiatoren der 3D-Produktion. Für diese zeichnen sich u.a. die NGO Conservation International und ein Team von Entwicklern um Vision3 verantwortlich.

Die Kollaboration hatte schon beim Tribeca Film Festival 2018 den ehrgeizigen 6K-Stereo-360-Grad-Film „My Africa“ ​​(und die interaktive VR-Erfahrung „My Africa: Elephant Keeper“) vorgestellt.

Transzendenz & unaussprechliche Zustände

Die Virtual Arcades bieten Raum für das VR-Erlebnis. Bildquelle: digitalla.net

Viele der diesjährigen Beiträge sind nicht nur deutlich länger als im Vorjahr, sondern haben auch einen hohen Anspruch. Dabei zeigen sich die Filmemacher oft ausgesprochen mutig – etwa dann, wenn die virtuelle Auseinandersetzung mit Tabuthemen nicht gescheut wird.

Eine solche Intention verfolgen auch die Macher von 7lives. Dabei handelt es sich um eine von der schamanischen und shintoistischen Philosophie inspirierten Geschichte um einen Suizid, der die Headset-User in der Virtual Arcade des Tribeca Film Festivals ordentlich herausfordern wollte.

Eine junge Frau begeht Selbstmord auf den Schienen einer U-Bahn in Tokio. Ihre Seele wandelt fortan zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten. Die unmittelbaren Zeugen des Ereignisses sind schockiert und erleben selbst eine Reaktivierung traumatischer Erinnerungen. Wie lässt sich eine Seele beruhigen, wie kann sie Frieden finden? Wie verhalten sich materielle und geistige Grenzen zueinander? Und wo kann ich mich in Anbetracht dessen, was um mich herum geschieht, verorten?

Ein zugegebenermaßen heftiges Thema, an das sich Charles Ayat, der mit einem Team 2016 die erste Graphic Novel in VR produzierte, Sabrina Calvo und der französische Filmemacher Jan Kounen in VR herangewagt haben.

Die 360-Grad-Produktion liefert eine Mixtur aus computergenerierten Bildern, echten Schauspielern & realen 3D-Settings, sowie Interaktionssequenzen, in denen der Zuschauer aktiv in die narrativen Erzählstränge eingebunden wird. 7lives wurde mit YI HALO gedreht, dessen Kamera-Rig 17 Linsen für stereoskopische 8K Aufnahmen bietet.

7lives in der Virtual Arcade des Tribeca Immersive Festivals. Bildquelle: adweek.com

Regisseur Jan Kounen ist auch mitverantwortlich für den Beitrag -22,7 °C, der u.a. im Rahmen der diesjährigen SXSW Virtual Cinema Competition gezeigt wurde.

Der Zuschauer wird in dieser experimentellen VR-Produktion in die arktischen Polarregionen entführt und hört den Schnee unter den Schuhen knarzen. Über innere und äußere Ebenen versucht der Filmemacher hier mittels VR eine Synthese beim Rezipienten zu erreichen und zwischen den endlosen Weiten Grönlands und der eigenen Dimension des menschlichen Daseins eine größere Einheit zu kreieren. Kein interaktiver Beitrag, wohl aber stereoskopisch eindringlich.

Eine weitere (interaktive) 360-Grad-Produktion über das Thema Seele, Menschlichkeit und AI, liefert der 7×10 Minuten lange VR-Film Mechanical Souls.

Verstehen, was wichtig ist

Travelling while Black. Bildquelle: provideocoalition.com

Mit Travelling While Black wird, nach dem Oscar-gekrönten Green Book, erneut die Jim-Crow-Ära und das segregationistische Klima der 50/60er Jahre bis hin zu aktuelleren Vorkommnissen rassistischer Polizeigewalt vergegenwärtigt. Die 360-Grad-VR-Dokumentation basiert auf einer Art Survivalguide für Road Trips, der 1936 veröffentlicht wurde und sichere Locations für Afroamerikaner enthielt, damit diese vor rassistischen und potenziell lebensbedrohlichen Situationen auf ihrer Reise geschützt waren.

Travelling While Black betont die Notwendigkeit des Dialogs als immersive Erfahrung, die mit Headsets wie z.B. der Oculus Rift eindrucksvoll erlebt werden kann. Besucher betreten bei dieser VR-Experience den „sicheren“ Raum, Ben´s Chili Bowl, und erleben hautnah die Geschichten der Afroamerikaner, die hier an diesem geschützten Ort Zuflucht suchen.

„Virtual Reality is a great tool for helping people to empathize and to understand it in a way that’s truly immersive (…)
I think VR is in its infancy and there is more ahead for VR than we can even imagine (…)“

Roger R. Williams

Interessieren Sie sich für Projekte in VR/AR? Neben linearen 360°-Videos und interaktiven AR- und VR-Erfahrungen bieten wir Ihnen mit unserer hauseigenen Hyperresponsive-VR-Technologie auch eine noch intensivere Form des VR-Storytellings: hier werden unbewusste Impulse des Anwenders direkt in die Geschichte eingebunden, was zu einer noch persönlicheren, immersiveren VR-Erfahrung führt. Lassen Sie sich von unsere Experten der Aspekteins GmbH beraten. Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören.

HIER KLICKEN FÜR IHR AR / VR-PROJEKT

Bildrechte Titelbild: © AdobeStock – aryfahmed

Die mobile Version verlassen