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Virtueller Bühnenrausch – Immersives Theater und VR

Digitale Welten waren auch Gegenstand bei den Thementagen am Frankfurter Schauspiel 2016/ Gastbeitrag vom Dortmunder Schauspiel: Psychose 4.48, Sarah Kane. Bildquelle: faz.net

Bei virtuellem Storytelling geht es nicht nur darum, Menschen zu begeistern, sondern auch darum, Gemüter zu bewegen. In vielen Bereichen, z.B. dem des Journalismus oder des Tier- und Naturschutzes, lassen sich dem Zuschauer mit virtuell generierten Bildern und Geschichten Sachverhalte oft sehr viel eindrucksvoller vermitteln, als dies rein mit Texten möglich wäre.

Get Immersed

Beim traditionellen Geschichtenerzählen geht es in erster Linie darum, ein Bild beim Leser entstehen zu lassen. Gut erzählte Geschichten ermöglichen Zuhörern, die Augen zu schließen und sich in eine ganz andere Welt zu träumen. VR-Erfahrungen unterstützen dieses Präsenz-Gefühl durch immersive Technologien. Das Stichwort lautet: Partizipation.

Mittelpunkt einer Szene ist also nicht ein vordefinierter Protagonist. Der Benutzer selbst soll eine effektive und wirkungsvolle Erfahrung in einem vielseitigen, dynamischen Setting machen.

Die Sozialpsychologen Geoff Kaufmann und Lisa Libby untersuchten die Einwirkung von Geschichten und deren Protagonisten auf den Zuschauer. Dabei stellten sie fest: Die empathische Einnahme einer anderen Perspektive kann den Zuschauer dazu führen, sich selbst für einige Zeit zu vergessen. Die Identität der Figur (deren Gedanken, Emotionen, Ziele, Eigenschaften) würde in das Selbst des Lesers/Zuschauers integriert und jener Charakter würde unmittelbar Teil der eigenen Persönlichkeit werden. Dies kann Vorurteile und diskriminierendes Handeln abbauen, so das Resümee der Wissenschaftler. Wir Menschen lernen nicht nur aus direkter Erfahrung, sondern auch durch Beobachtung. Im Wesentlichen ahmen Individuen eher Verhaltensweisen nach, die sie modelliert sehen, als Verhaltensweisen, die empfohlen, aber nicht demonstriert werden.

Um den Zuschauer aus seinem gewohnten Setting hinüber ins virtuelle Geschehen zu lenken, braucht es lebendige Sprache und lebendige Bilder. Das, was im Storybuilding ganz allgemein als narrativer Transport bezeichnet wird, gilt auch für das Thema Storytelling/-living in VR.
Um ins virtuelle Setting transportiert werden zu können, muss das Publikum sein Bewusstsein für die reale Umgebung verlieren oder eben weiten, unbedingt aber bereit sein, in die Geschichte einzutauchen.
Dabei ist wesentlich, dass die virtuellen Bilder für den zu vermittelnden Inhalt auch von Relevanz sind, damit der immersive Eindruck mental und körperlich aufrecht erhalten werden kann.

Was soll der VR-User erfahren und wie soll er handeln? Wie soll er in die Realität zurückkehren? Dabei geht es inhaltlich bestenfalls vom Geschichtenerzählen hin zum sorgfältigen Konstruieren einer Storyworld: von einer linearen, zeitbasierten Geschichte hinein in eine non-lineare, räumliche Erzählwelt, die vom Anwender interaktiv und ausgesprochen sensorisch erlebt werden kann.

Theater war immer schon eine Arena für den gesellschaftlichen Diskurs. Daher richtet sich heute unser Augenmerk im Rahmen von VR und immersiven Storytelling in Richtung der darstellenden Kunst. Schon im Grundsatz haben 360°-Erfahrungen einiges mit dem Theater gemein: Die Aufmerksamkeit des Publikums wird hier seit jeher traditionell durch spezifische Beleuchtung, passende Bühnenbilder, Sounds und Aktionsmomente gesteuert. Doch immersive Technologien kommen mittlerweile auch ganz direkt in diesem Kontext zum Einsatz.

VR-Theater: Tor zu immersiven Erfahrungen

Multimediales Spielen mit verschiedenen Ebenen: Szene aus Brechts Arturo Ui am Schauspielhaus Hannover Bildquelle: haz.de

Multimedia hat in Theaterproduktionen längst Einzug gehalten. Bühnenbilder werden so beispielsweise mit assoziativen Versatzstücken auf Bildschirmen bespielt und animierte Visualisationen bieten dem Zuschauer räumliche Orientierung und eine Aussage darüber, welchen Stimmungen die Akteure in ihrem jeweiligen Setting ausgesetzt sind.

Die Bundeskulturstiftung und die Stadt Dortmund investieren derzeit in die Erforschung digitaler Techniken im Theaterbereich. Dabei geht es natürlich auch um Augmented-Reality und VR. Mit „Memories of Borderline“ schufen Intendant Kay Voges, der auch die „Akademie für Digitalität und Darstellende Kunst“ gründete, und die VR-Entwickler CyberRäuber zusammen am Schauspielhaus Dortmund eine VR-Erfahrung der Superlative. Der Passivität als Zuschauer enthoben, können sich Besucher mit Hilfe einer HTC-Vive in einem visuell-akustischen 3D-Raum und durch die Kulisse von The Borderline Prozession bewegen, das als Grundlage für die VR-Version diente. Das Stück ist Musiktheater – ein Konvolut der Szenerien wie sie das Leben entwirft (Geburt, Tod, Liebe, Politik, Alltag) und mit dessen Dichotomien sich der Mensch im Verlauf seines Daseins konfrontiert sieht. In der VR-Variante verweben sich Vergangenheit und Erinnerung zu assoziativen Welten und bieten eingeblendete Text-Fragmente und Video-Stills Anreize, den User in der eigenen Auseinandersetzung mit dem Setting zu fordern. Hierfür kommen volumetrische Aufnahmen zum Einsatz: ein komplettes Bühnenbild wurde durch Laservermessung in eine 3D-Punktwolke übertragen und mit dreidimensionalen Aufnahmen von Schauspielern verschmolzen.

Step into my Brain

Draw Me Close ist eine Co-Produktion zwischen dem Dramatiker Jordan Tannahill, dem Entwicklerstudio All-Seeing-Eye, dem National Theatre (NT) und dem National Film Board of Canada (NFB). Es handelt sich hierbei um ein hybrides Performance-Stück, das auf der Bühne und in VR erlebt wird. Erzählt wird die Beziehung zwischen Tannahill und seiner Mutter, bei der Krebs diagnostiziert wurde.

Die Zuschauer befinden sich 20 Minuten lang in einem Animationsfilm von Teva Harrison, den sie durch ein Oculus-Headset ansehen, erleben und in dem sie aber vor allen Dingen in einem eigens gebauten Set mit Live-Schauspielern und Requisiten interagieren, die sich zeitgleich auch ganz real im Raum befinden.
Sie durchlaufen eine VR-Simulation mit realer physischer Interaktion, öffnen echte Türen, umarmen Live-Schauspieler.

Immersives Theater vertritt also recht unterschiedliche Ansätze. Draw me Close setzt auf eine hochgradig aktive Teilnahme des vermeintlichen Zuschauers. Was bedeutet es hier demnach für den Viewer, zum aktiv Handelnden zu werden?

Die Schauspielerin Tamzin Griffen trägt einen IKinema Motion-Capture-Anzug mit HTC-Vive-Trackern, der ihre Bewegungen aufzeichnet und in eine Cartoon-Form übersetzt. Sie ist eine von drei Aktricen des National Theatres, die jeweils abwechselnd den Part der Mutter übernehmen. Dabei interagieren sie mit einzelnen (Publikums-)Teilnehmern, die eine VR-Brille tragen und für eine kurze Zeitspanne den Dramatiker Tannahill spielen: Diese gehen durch das virtuelle Haus seiner Kindheit und interagieren mit der Mutter, derweil sich das reale Setting in einem Black-Box-Studio im Londoner Theater Young Vic verortet. Das spielt allerdings nun keine Rolle, es wird abgetaucht in eine Welt der Erinnerungen und eine hoch emotionale Mutter-Kind-Beziehung.

Die technische Umsetzung, der virtuelle Kontakt der Protagonisten über eine animierte Zwischenebene und hier gerade auch der Körperkontakt, machen das Stück physisch massiv erlebbar und geben involvierten Zuschauern eine glaubwürdige Erfahrung authentischen (Eigen-)Erlebens.

Die Zuschauer werden in die Geschichte also konkret einbezogen. Tannahills Erinnerungen werden mit einem HTC Vive-Headset für Außenstehende erlebbar. Für die Entwicklung des Stücks wurden diverse Theatermacher aus UK und Kanada hinzugezogen. Man wollte schließlich vor allem mehr über diejenige Rolle wissen, die aufstrebende Technologien wie VR in Zukunft beim Theatermachen spielen könnten.

„It was important to me to craft an experience that was tactile, that invited full awareness of one’s own body and the body of another. I wanted to invoke the idea that this childhood memory has come to life so vividly it can be touched and interacted with.“

Jordan Tannahill, Draw Me Close

Derweil bastelt das Team an einer längeren Spielfilm-Version. Im Hinblick auf das zeitliche Involvement der Zuschauer dürfte hier in Sachen Präsenz und VR eine große Herausforderung liegen.

Auch wir von Aspekteins beschäftigen uns stets mit der Optimierung von VR-Erfahrungen. Unsere Herausforderung ist es, Experiences noch immersiver zu gestalten und damit bestehende Grenzen von 360°-Videos zu erweitern oder zu sprengen. Dabei steht uns die Hyperresponsive-VRTechnologie zur Seite, einer von der Aspekteins GmbH speziell entwickelten Methode hoch authentischen Storytellings bzw. Storylivings. Bei der Formung einer Geschichte spielen so nicht nur die bewussten Interaktionen des Anwenders eine Rolle, sondern gerade auch dessen unbewusstes Handeln. So kann eine auf jeden Zuschauer perfekt zugeschnittene Geschichte erzählt werden und der Viewer selbst wird zum Zentrum der Erfahrung!

Das Expertenteam der Aspekteins GmbH freut sich darauf, auch in kommenden Projekten innovative Wege im Bereich des immersiven Storylivings zu gehen – vielleicht ja auch schon bald mit Ihnen.

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Bildrechte Titelbild: © AdobeStock – fergregory

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