Die Wand (360°): Ein VR-Theaterstück & die Suche nach Auswegen

2. Dezember 2022
2. Dezember 2022 Katrin Pape

Die Wand (360°): Ein VR-Theaterstück & die Suche nach Auswegen

Virtuelles 360°-Theater bietet eine Vielzahl an kreativen Möglichkeiten, Spielraum neu zu inszenieren und die Vierte Wand zu durchbrechen.

Möglichkeiten, die die VR-Umsetzung von Marlen Haushofers Einsiedler-Roman „Die Wand“ zu nutzen weiß.

An dieser Stelle weisen wir darauf hin, dass wir von Aspekteins neben eigenen Making Ofs diesen Blog nutzen, um VR-Experiences vorzustellen, die uns inspirieren – bei denen wir aber nicht unbedingt immer auch selbst beteiligt waren. Dieser Artikel fällt in eben diese Kategorie. Referenzen unserer eigenen Arbeit finden Sie in unserem Portfolio.

VR-Theaterstück über Selbst-Isolation

Das beklemmende VR-Theaterstück „Die Wand (360°)“ (mit Miete der VR-Brille und deren Lieferung) ist für 26 Euro p.P. zu erleben… Bildquelle: broststiftung.ruhr

Auch in der VR-Version (u.a. präsentiert auf dem Performing Arts & Digitalität Festival Darmstadt) des beklemmenden Romans bleibt alles erhalten, was schon in der Literatur und dem ebenfalls herausragenden Film von Julian Pölsler vorhanden ist: eine irritierende Mischung aus Sci-Fi, Emanzipationsgeschichte und Zivilisationskritik.

Doch im 360°-Theater werden Zuschauer direkter, unmittelbarer Teil der dystopischen Erfahrung. Dafür hat sich das Schauspielhaus Essen mächtig ins Zeug gelegt!

Der Stoff des Romans ist psycho-emotional komplex und anspruchsvoll – wie also die Zuschauer zu Teilnehmern werden lassen, ohne diese inhaltlich zu überladen?

Die namenlose Protagonistin erfährt in der Stille der Natur einen regelrechten Alptraum: es sollte nur ein kurzer Besuch bei Verwandten sein, doch die einsame Jagdhütte, irgendwo fernab jeglicher Zivilisation, wird nun unfreiwillig zum einzigen Refugium weit und breit. Nachdem die Cousine und ihr Mann nicht aus dem Dorf zurückgekehrt sind, muss die Heldin der Geschichte ihre größten Ressourcen aktivieren und sich für ein Leben in Isolation wappnen – denn die Weite der Natur trügt: eine unsichtbare Wand, gleich einem durchsichtigen Fenster, verhindert zuverlässig jeden Fluchtversuch.

Die Heldin lernt zu jagen, die Zeichen der Natur zu deuten und in stiller Demut auf den Tag der „Erlösung“ zu warten. Die größte Beklemmung des Rezipienten aber, der rote Faden sozusagen, ist die Tatsache, dass die Protagonistin keine Chance hat, der sie umgebenden Szenerie zu entkommen.

Die verzweifelte Namenlose versucht sich strukturell in Pragmatismus zu retten. Ihr einziger treuer Freund: Schäferhund Luchs.

Protagonist Alexey Ekimov (Luchs) mit Tracking-Markern. Bildquelle: theater-essen.de

In rund achtzig Minuten wird der 360-Grad-Anwender mit dem VR-Headset zu einem unmittelbaren Beobachter der Inszenierung. Das VR-Theaterstück bindet (durch die quasi-physische Nähe der Nutzer) stärker in die darstellerischen Inhalte ein, bietet einen flexiblen Rundherumblick und das unbehagliche Gefühl, unmittelbar an der dystopischen Geschichte zu partizipieren: Die Verzweiflung der Heldin, deren Emotionalität und psychische Auseinandersetzung mit den zu bewältigenden Inhalten – das alles wirkt sich visuell hoch eindringlich direkt auf die VR-Anwender aus.

Anders als in der Romanvorlage bildet ein Tiny House das materielle Refugium, anstelle der Blockhütte gibt’s smarte Vernetzung und eine hippe Boulderwand. Doch am Ende geht es, hier wie dort, nur um eines: Wie zurück, raus aus der Entfremdung?

Kulissen in 360° ausloten

Gedreht wurde Die Wand (360°) mit einem Insta360 One RS 4K Boost-Objektiv – eine auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnliche Entscheidung für eine derartig aufwendige Produktion – handelt es sich bei der Insta360 One RS doch um eine Kamera aus dem Consumer-Bereich. Der größte Vorteil, den die Kamera jedoch im Vergleich zu den großen Geschwistern bietet, ist die Beschränkung auf zwei Linsen. Eine Beschränkung klingt vielleicht nicht wie ein Vorteil, doch da nur zwei Linsen „vernäht“ werden müssen, hat das Resultat auch nur eine einzige Stitchingkante. Darsteller können damit sehr nah an die Kamera herantreten, ohne dass es zu Stitchingproblemen (durch die verschobene Parallaxe) kommt. Bei größeren Kameras müsste dagegen ein Mindestabstand von einigen Metern eingehalten werden. So ist der Zuschauer also wirklich hautnah dran am Geschehen. Die Nachteile einer solchen Umsetzung sind die Beschränkung auf Monoskopie (stereoskopische Videos können nur durch mehr Linsen aufgezeichnet werden) sowie Einschränkungen in Bitrate, Auflösung, Dynamikumfang und Lichtempfindlichkeit (dies beschränkt Möglichkeiten in der Nachbearbeitung / Farbanpassung und mindert die wahrgenommene Schärfe und Bildqualität).

360-Grad-Kameras nehmen eine Umgebung in Rundherum-Ansicht auf, so dass VR-Nutzer einer 360-Grad-Anwendung sich inmitten eines Geschehens erfahren. Die Aufnahme generiert die Bilder quasi vom Standpunkt des Anwenders aus- vorgegebene Kameraeinstellungen, aus der Perspektive des Regisseurs, bleiben komplett unberücksichtigt.

Zuschauer werden mittels VR-Headset so noch stärker in VR-Inhalte reingebunden, als vor einem Bildschirm.

360-Grad-Kamera Insta360 One RS im Einsatz. Der VR-Anwender hat unter dem Headset die Möglichkeit, sich umfassend in 360° umzusehen und die Szene subjektiv zu entdecken.  Bildquelle: theater-essen.de

Dazu muss man allerdings erwähnen, dass 360°-Videos in ihrer Reinform keine direkte Interaktion bieten – sie sind rein lineare Erfahrungen.

Würde man auf eine noch stärkere Einbindung von Zuschauern wert legen, müsste es sich um eine VR-Inszenierung handeln, bei der z.B. Live-Performances/Live-Darsteller über VR mit den Nutzern agieren – oder man könnte mehrere 360°-Clips intelligent miteinander verknüpfen (ein Beispiel hierfür ist unsere Hyperresponsive-Virtual-Reality-Technologie, mit der wir das Verhalten von Nutzern auswerten können und mittels eines Entscheidungsbaumes und einer Vielzahl von 360°-Clips interaktive und noch immersivere Geschichten kreieren können).

Letztere Option lässt sich am Einfachsten als Weiterentwicklung von Choose-your-own-Adventure-Büchern beschreiben und bietet Nutzern spannende Alternativen durch aktives oder passives Auswählen von optionalen Handlungspfaden. Auf diese Art kann die inhaltliche Auseinandersetzung von VR-Anwendern noch stärker angeregt werden.

DIE WAND (360°) am Schauspiel Essen

Für Besucher von Die Wand (360°) gilt: Nach der Buchung wird die bestellte VR-Brille inklusive abspielbereitem Film zum gewünschten Termin im Essener Stadtgebiet über einen Kurierdienst nach Hause geliefert bzw. wieder abgeholt.

VR-Storytelling wird erst durch authentische VR-Erfahrungen überzeugend und lebendig! Wir setzen beim virtuellen Geschichtenerzählen deshalb auf innovative Ansätze wie unser non-lineares Storytelling-Format „Hyperresponsive VR“.

Wir setzen darauf, dass Nutzer den Verlauf der Geschichte nicht allein durch bewusste Entscheidungen beeinflussen, sondern auch dass dessen unbewusste Signale ausgewertet werden. Hierbei werden Nutzer noch stärker eingebunden und erleben eine echte, durch subjektives Handeln (und Unterlassen) basierte VR-Experience!

Sie haben weitere Fragen zu professionellen VR-Produktionen und immersivem VR-Storytelling? Unser Aspekteins Team verfügt über jahrelange Expertise in Sachen VR/360°-Produktion/AR-Applikation und steht auch Ihnen bei Ihrem Projekt zuverlässig mit Rat & Tat zur Seite:

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