Raus aus dem Tal der Enttäuschungen: Virtual Reality wird massentauglich

8. August 2017 Eva Michely

Raus aus dem Tal der Enttäuschungen: Virtual Reality wird massentauglich

Lesen Sie hier von der Reise der Virtual Reality auf die Höhe des Mainstream-Marktes. Geht man davon aus, dass die VR sich derzeit auf „dem Gipfel der überzogenen Erwartungen“ des Gartner Hype-Zyklus befindet, so steht ihr eine Feuerprobe bevor: Sie muss ihre vielen Stärken auf dem Mainstream-Markt beweisen und die breite Masse begeistern. Eine neue Generation von VR-Headsets wird sie dabei beflügeln.

Eine Reise ins Innere des Hype-Zyklus

Als John Bunyan im 17. Jahrhundert aus seiner Gefangenschaft heraus Die Pilgerreise verfasste, wird ihm die nachhallende Bedeutung seines Werks wohl kaum vor Augen gestanden haben. Die Pilgerreise beschreibt in allegorischer Form die Reise eines Christen ins verheißungsvolle Jenseits. Das Buch ist metaphorisch strukturiert und basiert auf der Vorstellung des Lebens als Reise – Flüsse, Täler, Berge und Sümpfe müssen erst einmal mühevoll überquert werden, ehe man sich das Leben nach dem Tod verdient hat (s. Noggle & Lipkin 2012). Empfehlenswerte Lektüre zum vorgenannten Thema liefert übrigens auch Bertrand Russel.

In intertextueller Form lebt Die Pilgerreise in den verschiedensten Medien weiter und hat sich so selbst das Leben nach dem Tod (des Autors) erarbeitet. Eine etwas spaßhaft anmutende Referenz zu Bunyans Werk findet sich auch im Hype-Zyklus des US-Amerikanischen Marktforschungsunternehmens Gartner. Der Hype-Zyklus beschreibt in bildlicher Form die Höhen und Tiefen, die eine neue Technologie nach ihrer Markteinführung durchlaufen muss, bis sie schließlich von den Konsumenten angenommen wird und sich auf dem „Plateau der Produktivität“ einfindet.

Der Hype-Zyklus der neuen Technologien

Das Modell basiert auf einem Koordinatensystem, dessen x-Achse den Faktor ‚Zeit‘ und dessen y-Achse den Faktor ‚Aufmerksamkeit‘ abbildet. Die aus den Werten beider Faktoren generierte Kurve durchläuft die folgenden fünf Phasen, wobei die Letzte zugleich die zeitlich Dauerhafte ist:

  1. Technology Trigger/Technologischer Auslöser: Die Existenz der neuen Technologie wird bekannt und stößt auf große öffentliche Aufmerksamkeit
  2. Peak of Inflated Expectations/Gipfel der überzogenen Erwartungen: Die öffentliche Aufmerksamkeit erreicht einen Höhepunkt und es werden übertriebene Prognosen für den Erfolg und die Einsetzbarkeit der neuen Technologie aufgestellt
  3. Trough of Disillusionment/Tal der Enttäuschungen: Aufgrund nicht erfüllter Prognosen schlittert die Aufmerksamkeit für die neue Technologie ihrem Tiefpunkt entgegen
  4. Slope of Enlightenment/Pfad der Erleuchtung: Das Verständnis der Technologie wird umfassender; sie wird optimiert und zielgerichtet weiterentwickelt; realistische und sinnvolle Einsatzmöglichkeiten kristallisieren sich heraus
  5. Plateau of Productivity/Plateau der Produktivität: Die Möglichkeiten und Vorteile der neuen Technologie werden auf dem Markt bekannt; die Technologie wird von den Konsumenten akzeptiert und verbreitet sich flächendeckend

Virtual Reality (VR) zwischen Enttäuschung und Erleuchtung

Virtual Reality Apps und Inhalte befinden sich noch längst nicht am Ende der mühevollen Reise hin zum Plateau der Produktivität. Zum jetzigen Zeitpunkt schickt sich die VR gerade erst an, den Gipfel der überzogenen Erwartungen zu erklimmen. Dieser Eindruck verfestigt sich durch das enorme mediale Interesse an VR sowie die meistenteils enthusiastische Berichterstattung in diesem Bereich. Somit ist für die nähere Zukunft zu erwarten, dass der Abstieg der VR in das Tal der Enttäuschungen bevorsteht und das damit einhergehende sinkende öffentliche Interesse an der Technologie schon jetzt vorprogrammiert ist.

Akzeptanz von VR-Inhalten nach Nutzersegmenten

Es scheint einen andauernden Mangel an Verbraucherakzeptanz für VR Inhalte und Plattformen zu geben. Überträgt man diese Beobachtung auf die aus dem Hype-Zyklus gewonnen Erkenntnisse der „Technology Adoption Curve“, die – basierend auf den Erkenntnissen des US-amerikanischen Kommunikationswissenschaftlers Everett Rogers – die Übernahme und Etablierung einer neuen Technologie anteilig nach Nutzersegmenten verbildlicht. Das Modell unterscheidet die folgenden sozialen Gruppen:

 

  1. Innovators/Innovatoren: Junge, risikofreudige, technikbegeisterte und vor allem kaufstarke Weltbürger mit Pioniergeist – eine kleine Gruppe von etwa 2,5% der Gesamtbevölkerung
  2. Early Adopters/Frühe Nutzer: Sie sehen schon frühzeitig die Potentiale einer neuen Technologie; da sie gut vernetzt sind fungieren sie als Meinungsmacher in der Gesellschaft – etwa 13,5% der Gesamtbevölkerung
  3. Early Majority/Frühe Mehrheit: Weniger risikofreudig aber dafür pragmatisch, gut vernetzt und kaufstark sind sie dem Durchschnittsnutzer um eine Nasenlänge voraus – etwa 34% der Gesamtbevölkerung
  4. Late Majority/Späte Mehrheit: Zahlenmäßig gleichauf mit der Frühen Mehrheit, sind sie die konservativeren Bedenkenträger, die sich nur wiederwillig dem Trend der Mehrheit beugen
  5. Laggards/Nachzügler: Ältere, konservative und kaufschwächere Nutzer – etwa 16% der Gesamtbevölkerung

[Technology Adoption Curve hier erklärt nach Paulo Caroli]

Die Grenze zwischen den ersten Enthusiasten und der Frühen Mehrheit stellt, so Geoffrey Moore, eine neue Technologie vor ihre schwierigste Hürde. In der Einleitung zur dritten Auflage seines Standardwerks Crossing the Chasm: Marketing and Selling Disruptive Products to Mainstream Customers, konstatiert er: „[…] die Stelle größter Gefahr in der Entwicklung eines High-Tech-Marktes liegt im Übergang vom ‚early market‘, dominiert von einigen wenigen Visionären, hin zum Mainstream-Markt, dominiert von einem breiten, vorrangig pragmatisch orientierten Kundensegment“ (Moore 2014). Moore nennte diese Stelle größter Gefahr eindrucksvoll „the Chasm“ – die Kluft – die es im Sinne einer erfolgreichen Markteinführung zu überwinden gilt.

 

 

VR-Headsets und die Eroberung des Mainstream-Marktes

Vor diesem Hintergrund korreliert das Tal der Enttäuschungen mit dem Übergang von den ‚Innovatoren‘ hin zur ‚frühen Mehrheit‘ als Antreiber des VR-Bereichs. Für die nächste Generation von VR-Headsets, die noch im Laufe des Jahres auf den Markt geworfen werden soll, hat diese Situation zwischen diesen beiden Nutzergruppen bedeutsame Implikationen. Noch ist die Verbreitung von VR-Headsets in der Bevölkerung relativ gering, wenn auch das Interesse groß und stetig steigend ist – bislang haben allein die Innovatoren und Frühen Nutzer die Möglichkeiten der neuen Technologie enthusiastisch begrüßt. Zukünftig gilt es, die weitaus skeptischere und pragmatisch denkende Frühe Mehrheit von den Potentialen der VR-Headsets für Freizeit und Business zu überzeugen. Als Kundensegment, das ein Drittel der Gesellschaft ausmacht, könnte die Frühe Mehrheit die Marktverbreitung von VR-Headsets maßgeblich katalysieren und sie hinauf auf das Plateau der Produktivität katapultieren.

VR-Headsets und die Liebe auf den ersten (Durch-)Blick

Wie also begeistert man die Frühe Mehrheit, diese momentan wichtigste aller Zielgruppen? Zunächst muss Imagearbeit geleistet werden. In dem Sinne, dass VR-Headsets nicht mehr nur als Gimmicks einiger weniger Gaming-Freaks wahrgenommen werden. VR-Spiele sind bislang der Dreh-und Angelpunkt für die Entwicklung der VR-Headsets gewesen, aber die Technologie ist mitnichten auf diese Art des Zeitvertreibs zu begrenzen. Es finden sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten in den verschiedensten Bereichen wie Marketing, E-Commerce, Tourismus, Medizin und Sport, die dem Konsumenten eindrucksvoll präsentiert werden müssen.

Wie in so vielen anderen Bereichen des Lebens entscheidet auch bei der Nutzung von VR-Headsets der erste Eindruck. Wenn es nicht Liebe auf den ersten (Durch-)Blick ist, dann rückt eine weitere Annäherung der pragmatisch orientierten Frühen Mehrheit an das Gerät in weite Ferne. Damit der erste Eindruck positiv ausfällt, gilt es Folgendes zu berücksichtigen:

  • Der Weg ist das Ziel: Sich verirren möchte niemand. Die Virtuelle Welt, in die man den unerfahrenen Nutzer mit einem VR-Headset entlässt, sollte intuitiv navigierbar sein. Kontrolle und Orientierung in der virtuellen Welt hängen von verschiedenen Faktoren ab – unter anderen davon, wie leicht sich die Bedienung des Headsets mit Körperbewegungen und Stimmsignalen synchronisieren lässt. Verlangt das Headset dem Nutzer gleich zu Beginn eine kognitive Überanstrengung ab, wird er kaum ein zweites Mal dazu greifen.
  • Trautes Heim, Glück allein: Orientierung und Synchronisation der multimodalen Signale werden dem unerfahrenen VR-Headset-Nutzer erleichtert, wenn sich die virtuelle Umgebung an eine ihm bekannte Umgebung anschmiegt. Eine sogenannte ‚Mirror World‘ spiegelt eine reale Umgebung in digitaler Form, und nutzt diese dann als virtuellen Schauplatz für ein Spiel oder eine Storyline. Da der Nutzer sich in der gespiegelten virtuellen Welt bereits auskennt, kann er seine kognitiven Fähigkeiten ganz der Bedienung des VR-Headsets widmen.

VR-Headsets, Mirror Worlds und die ’schöne neue Welt‘

Eine solche ‚Mirror World‘ im großen Stil stellt Outerra Anteworld zu Verfügung: Basierend auf real-geographischen Daten bildet das Programm den gesamten Planten Erde virtuell ab. Der Nutzer kann seinem Abenteurergeist freien Lauf lassen und die Erde zu Fuß oder auf dem Wasser-, Straßen-, und Luftweg bereisen. Outerra Anteworld ist bereits seit einigen Jahren für das Oculus Rift VR-Headset ausgelegt. Das komplette Oculus Rift Paket beinhaltet u.a. die VR-Brille samt Kopfhörer, je ein Kontrollgerät für jede Hand und zwei räumliche Sensoren, die alle Kopf- und Handbewegungen erfassen und in die virtuelle Welt transportieren. Besonders eindrucksvoll sind die detailliert übertragenen Hand- und Fingerbewegungen, die es dem Nutzer erlauben, in der VR nach einzelnen Gegenständen zu greifen.

Der einzige Wermutstropfen bei diesem tadellosen Gerätepaket ist der Preis von ca. 500€ (hinzukommend die Kosten für einen entsprechendem PC oder MAC, der das Headset mit Bildinformation versorgen kann). Eine kostengünstige Alternative zum Einstieg bietet das Google Cardboard, das im Handumdrehen jedes Smartphone in eine VR-Brille verwandelt. Spannt man sein Smartphone in den namensgebenden Karton des Google Cardboard ein, hält sich das Konglomerat vor die Nase und blickt durch die integrierten Sammellinsen, so kann man sich dreidimensionale VR-Inhalte ohne großen Aufwand auch unterwegs anschauen.

Auf ähnliche Weise funktioniert das Samsung Gear VR. Auch hier wird das Smartphone eingespannt – kompatibel sind die Modelle Samsung Galaxy S6, S6 edge, S6 edge+, S7 und S7 edge – dank ergonomischer Ausarbeitung und einstellbarem Kopfband ist der Nutzerkomfort allerdings deutlich höher als beim Cardboard. Durch das seitlich integrierte Touchpad ist die Brille zudem nutzerfreundlich gestaltet und leicht zu bedienen.

 

Outerra + Oculus Rift Test 2 - MiG 29 flight

Gilt es jedoch, die Frühe Mehrheit zu begeistern und die Marktverbreitung der VR-Headsets zu katalysieren, so sollte man auf weiterentwickelte Geräte setzen. Der Wow-Effekt einer ersten VR-Erfahrung hängt maßgeblich davon ab, wie real und unmittelbar die virtuelle Welt wahrgenommen werden kann. Damit das Eintauchen – die Immersion – in die VR vollkommen gelingt, müssen die menschlichen Sinnesorgane ganz gezielt angesprochen und in die virtuelle Welt integriert werden. High-End-Geräte wie z.B. das Oculus Rift ermöglichen bereits eine realitätsnahe Aktivierung der visuellen, auditiven und taktilen Wahrnehmung. Im Lichte dieser faszinierenden Entwicklungen sei – ausnahmsweise – eine Modifikation des berühmten Ausrufes aus Shakespeares Sturm erlaubt: „O schöne neue Welt, die solche Bilder trägt!“

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