Virtuelle Lernumgebungen im Jurastudium

12. Oktober 2018 Katrin Pape

Virtuelle Lernumgebungen im Jurastudium

Beurteilung eines Tathergangs und das Potential von Virtual-Reality-Videos

Virtuelles Lernen macht natürlich gerade dann Sinn, wenn Ausbildungsinhalte besonders lernintensiv sind und ein Ungleichgewicht zwischen Theorie und Praxis entsteht. Studenten der Rechtswissenschaften profitieren bei diesem Lack of Experience u.a. von Court-Simulationen, sog. Mood-Courts, interaktiven e-learning Plattformen, wie etwa der Gerichtssimulation „Evidence Challenge“ oder der iPhone-App „On the Case“ (beide von LexisNexis aufgestellt). Auch blended-learning-tools wie LegalED (an US-amerikanischen Hochschulen) und hierzulande die App Repetico dienen einer profunden Examensvorbereitung. Juristische Fallsimulationen wie CaSim helfen dabei ungemein, juristisches Fachwissen spielerischer zu verinnerlichen, als dies der Fall wäre, ließe sich der inhaltliche Stoff rein aus Büchern pauken. Oft arbeiten Studenten an der Fallentwicklung mit; Sachverhalte werden von höheren Semestern für nachfolgende Jahrgänge entwickelt und dienen z.B. auch als Grundlage zur Fallbearbeitung in Seminaren.

Für die University of Westminster in London, eine der führenden Schulen in Bereich Technologie und Recht, hat das Arbeiten mit Virtual Reality im juristischen Studium sogar längst seine eigene Legitimationsgrundlage erhalten. Denn anstatt nur aus Büchern und durch Online-Hilfen zu lernen, sollen sich die Studenten in diesem sonst so theorielastigen Studium den durchaus ernsten Thematiken der Kriminologie immersiv annähern und Kompetenzen dank der vielfältigen Potentiale von Virtual Education ausbauen. Angehenden Juristen wird durch die virtual learning experience REVRLaw ermöglicht, Fallstudien mittels Headset und Xbox-Controllern flexibel auf unterschiedliche Weise zu untersuchen. Das Programm, ein Joint Venture zwischen der Westminster Law School und dem dortigen Fachbereich für Informatik, konnte bereits anhand seiner Forschungsunterlagen die Aufmerksamkeit des Immersive Learning Research Network, iLRN, auf sich ziehen und einen Best Paper Award einheimsen. iLRN, ein internationales Netzwerk aus Forschern, Pädagogen und Entwicklern, untersucht speziell die immersiven Aspekte von Virtual Reality im Kontext formaler und informeller Bildungszwecke. Hierbei sind Breite und Umfang allgemeiner und spezifischer Lernmöglichkeiten aller Disziplinen Gegenstand eingehender Untersuchung. Dabei gilt es, Methoden zu erkunden, die eine Verbindung verschiedener Fachrichtungen und Praktiken mit Immersive Learning ermöglichen. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, kollaborative Kommunikation/Interaktion zwischen wissenschaftlichen und industriellen Arbeitsebenen zu fördern und, im Rahmen von Virtual Reality, effektive Lernumgebungen zu erschaffen.

Als Ergänzung zum universitären Vorlesungsplan gedacht und eingeführt, soll das VR-Tool eine praktische Abwechslung zur mentalen Büffelei von unzähligen Gesetzen, Gerichtsentscheidungen und Präzedenzfällen (Fällen, deren Entscheidung als Maßstab für weitere Gerichtsverfahren fungieren) dienen. In strafrechtlichen Fällen sollen die Studenten auf mehr physische Weise am Tatort virtuell Beweisstücke analysieren und mit anderen Teilnehmern im Kontext des Sachverhalts interagieren. Vor allen Dingen soll die virtuelle Lernhilfe Studenten noch stärker zu inhaltlichen Diskussionen anregen, initiale Offenheit gegenüber alternativen Tathergangsszenarien erwirken: Ist der Täter nun durch aktives Tun oder Unterlassen schuldfähig – oder handelte er im Affekt und ist gar schuldunfähig? Gerade im Strafrecht haben Jurastudenten oft jahrelang harte Nüsse zu knacken. VR könnte ein qualifiziertes Werkzeug sein, um schwierige Sachverhalte mit mehr Leichtigkeit zu öffnen. Der REVRLaw-Pilot steht in den Startlöchern.

Launch of Westminster Centre for Teaching Innovation – Presentations

Künstliche Intelligenz als Mediator

Die University of Westminster arbeitet auch mit AI Lawyer LISA. Entwickelt von der Zukunftsforscherin und Juristin Chrissie Lightfoot, bietet dieser virtuelle Mediator eine kostengünstige und zuverlässige Hilfe, bei sog. Non-Disclosure-Cases. In diesen Fällen besteht ein rechtlicher Vertrag zwischen mindestens zwei Parteien, der einer Geheimhaltungsvereinbarung gegenüber Dritten unterliegt. Kein Problem für LISA: Als unparteiischer Support kann mit dieser KI-Plattform binnen weniger Minuten ein rechtlich verbindliches Dokument erstellt werden, ohne dass für den User Kosten anfallen. Dieser Service ist weltweit abrufbar und wird sowohl von akademischen Einrichtungen, kleinen Unternehmen, als auch professionellen Dienstleistern konsultiert. Jurastudenten können ebenfalls von der künstlichen Intelligenz lernen und ihren praktischen (Fach-)Wissensschatz erweitern.

„Westminster Law School is constantly looking at new and innovative ways to prepare today´s students for tomorrow´s likely jobs and new ventures which will invariably entail an understanding, skill-set, use, development and deployment of AI & Roobot technologies. Collaborating with Robot Lawyer is a perfect fit for the university, our students and the next generation of workers in society.“                                                              Dr. Kathrani, Senoir Lecturer in Law, Westminster University

Das College Of Law der University of Oklahoma (OU), längst auch als eine der innovativsten Universitäten der USA ausgezeichnet, bietet seinen Studenten im Rahmen seiner Digital Initiative ebenfalls immersive und interaktive Lernerfahrungen. An zwei Virtual-Reality-Stationen, vermittels derer sich angehende Juristen mit verschiedenen 360-Grad-Experiences zu spezifischen Fällen, Gerichtsverhandlungen und Gesetzesgrundlagen einen interaktiven Überblick verschaffen können, lernen die Studenten auch, wie professionelle Beweismittelführung funktioniert. In einer hochschulinternen Evaluation kam man einst zu dem Schluss, dass Jurastudenten durch mangelnde (Rechtspraxis-)Technologien ein erheblicher Wettbewerbsnachteil entstehen würde, den es zu überwinden galt. Daher wundert es auch nicht, dass die Initiative Innovation @the Edge (IE) in den verschiedenen Bibliotheken der Campus, den OU Libraries, Pionierarbeit leistet: Als prämierter Vorreiter für benutzerdefinierte VR-Inhalte in akademischen Umgebungen. Ein Ergebnis dieser Betriebsamkeit ist das Oklahoma Virtual Academic Laboratory (OVAL), welches seit Herbst 2016 3D-Umgebungen/Virtual-Reality-Videos für Studenten verschiedener Disziplinen entwickelt und einen Teil des Curriculums als virtual classroom generiert. So können mit CAD konstruierte 3D-Assets über einen Dropbox-Ordner hochgeladen und Erfahrungen der Analyse und Manipulation mit Dozenten und Kommilitonen ausgetauscht werden. Mit einem großen Kontingent an Google Cardboards, VR-Brillen von Rift bis Vive und speziellen Navi-Tools, wie denen von 3Dconnexion, unterhält OU Libraries mehrere VR-Workstations, an denen sich gleich eine Vielzahl Studenten virtuell-fachmännisch erproben kann.

Beweisführung üben, Lösungsstrategien entwickeln

Ein anderes Virtual-Reality-Video dieser Art wurde an der Georgetown University unter Federführung von Juraprofessorin Tanina Rostain entwickelt. Finanziell unterstützt von der Initiative für technologiebasiertes Lernen, iTEL, ist I Object!/Evidence Game ein weiteres Spiel für den späteren Ernstfall vor Gericht. Das VR-Video gründet auf einem webbasierten Kartenspiel und wurde virtuell mit Hilfe von Unity aufgezogen. Studenten bietet sich hier die Möglichkeit, als Verteidigungsanwälte in einem VR-simulierten Gerichtssaal gegen die Staatsanwaltschaft/Software anzutreten.

Das Spiel, als Strafverfahren strukturiert, simuliert zum einen die nur zeitlich begrenzte Möglichkeit einer Beweisführung, zum anderen müssen strategische Entscheidungen darüber getroffen werden, ob und wie gegen unzulässige Beweisführung Einwand erhoben werden kann. Dieser kann gegenüber der Anklage in Form von Einspruchkarten geltend gemacht werden. Zudem sind jedem der zwanzig aufgeführten Beweismittel Punkte zugewiesen, dessen explizite Wertigkeit der Verteidiger jedoch nicht kennt. Durch jedes einzelne Beweismittel akkumuliert die Staatsanwaltschaft Punkte; ist eine Schwellenzahl erreicht, gewinnt es die Anklage und es kommt zur Verurteilung des Angeklagten. Umgekehrt kann der Verteidiger gegen diese Ansammlung von Punkten vorgehen, indem er geschickt gegen vorgelegte Beweise argumentiert bzw. Einspruch erhebt. Es geht bei diesem Spiel also nicht nur darum, Einspruch zu erheben, sondern auch strategisch souverän gegen die Beweisführung vorzugehen, um die für den Angeklagten schädlichsten Beweise auszuschalten und einen Freispruch zu erwirken.

„The process of developing and testing the game was highly challenging and very enjoyable. It reinforced my view that developing effective online learning tools is expensive, but that, despite the significant investment of time and resources required, providing different learning modalities to students, especially those with a „fun factor“, can increase engagement with the learning process- even at the post-graduate level.“                                                                                                                                    Tanina Rostain, Juraprofessorin & Entwicklerin „Evidence Game“, Georgetown University

Den Studenten hilft Evidence Game nicht nur, sich in einer gerichtlichen Situation fachlich zu beweisen. Auch die Angst, das erste Mal als Anwalt vor Gericht zu stehen, kann durch repetitives Üben mit dem virtuellen Spiel vermindert oder gar überwunden werden.

Mit virtuellen Rekonstruktionen zuverlässigere Untersuchungen durchführen

Virtual-Reality-Videos werden inzwischen auch von realen Gerichten eingesetzt. Schwerpunktmäßig, wenn es um die verbesserte, eingehendere Darstellung von Tat-oder Unfallhergängen gegenüber einer Jury/Geschworenen geht oder komplexe architektonische/räumliche Umstände eine Rolle spielen bzw. aufgrund zeitlicher Ereignisse das Tatort-Milieu inzwischen einer räumlichen Veränderung unterliegt – wie etwa bei den Kriegsverbrecherprozessen von Auschwitz. Ein ausgebranntes Haus, eine Baustelle zur tiefsten Winterzeit; Entwickler und Geomedientechniker behelfen sich mit 3D-Lasermesssystemen für die Rekonstruktion in der Jetztzeit. Selbst das Licht zur Tatzeit kann nachempfunden werden – per Wetterdaten und Sonnenstand.

Aber auch Richter und Staatsanwälte mögen durch 3D-Rekonstruktionen einen besseren Einblick in Tatverläufe bekommen – gerade weil in einem 360-Grad-Video verschiedene Positionen/Blickwinkel durchlaufen und unter Zuhilfenahme von Position-Tracking-Controllern untersucht werden können. Ein dreidimensionales Modell bietet auch die Möglichkeit, sich erstmal in Ruhe mit der Örtlichkeit vertraut zu machen. Auch wenn VR nicht den tatsächlichen, örtlichen Augenschein ersetzen kann, so erweist sich der virtuell basierte Umgang mit kriminalistisch relevanten Aspekten einer Tat als sinnvolle Ergänzung zu den i. d. R. von Einzelpersonen erstellten Fotodokumentationen und Skizzen – und bietet für alle Beteiligten ein objektiveres Bild vom Tatort.

Erfahren Sie mehr zu diesem Thema in unserem Bericht VR-Technologien im Bereich Forensik und Polizei.

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Bildrechte Titelbild: ©phonlamaiphoto – Fotolia.com

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